Freitag, 11. Dezember 2015

Flugstunden

Willkommen, willkommen im unweihnachtlichsten Advent unseres jungen Lebens. Turbulente Tage liegen seit dem letzten Blogeintrag hinter uns, Tage die wir ausgenutzt haben um Land und Leute besser kennen zu lernen, einen tieferen Blick in die Kultur zu erhaschen und leider auch, um auf Wiedersehen zu sagen.

Nach ein paar Honighaustagen begannen die Nationalfeiertage Panamas. Die "Fiesta Patrias". Zur Feier der Unabhängigkeit von Kolumbien und Spanien, des Apostels von Santiago sowie zum Tag der Flagge waren Anfang November 4 Tage lang Desfiles, also Umzüge und Partys.
Den ganzen Tag über drängelten sich Pipaeisverkäufer, zuckerwattebepackte Männer, Luftballonclowns und Jungs mit Platanochips und Soda, Plastikhocker oder Helium-Mini-Mäusen durch die Einwohner Santiagos, die die Calle Central säumten, um sich das farbenfrohe und musikalische Spektakel anzusehen. Wir natürlich mittendrin.
Trotz der unfassbaren Hitze und dem Mangel an Schattenspendern maschierten Mädels und Jungs aus allen möglichen Schulen, Krankenhausmitarbeiter, Polizeihunde mit Trainern, viel Militär mit allen möglichen Fahrzeugen, die Feuerwehr, Frauen und Männer in traditionellen Hemden und Polleras mit dem aufwendigen Kopfschmuck, Fahnenträger und natürlich viele, viele Musikanten stundenlang durch die aufwendig, mit unzähligen Panamaflaggen, geschmückte Straße.

Frau mit traditioneller Pollera, die Muster werden von Hand aufgestickt, was diese Volkskleidung immens wertvoll macht
Wir stellten uns diese Feierlichkeiten in Deutschland vor. Und kamen schnell zum Schluss; Unvorstellbar. Wie viel Nationalstolz braucht wohl ein Entwicklungsland um den "Absprung" zu schaffen, um genug Euphorie aufkommen zu lassen, für den Abflug Richtung Industriestaat? Und wie viel Nationalismus ist gefährlich? Wie viel Ehrgeiz nach Außen lässt einen die Innenpolitischen Probleme unter den Teppich kehren? Die Indigenas, die mit der Parole "sin lucha no hay victoria" - "ohne Kampf gibt es keinen Sieg" gegen den Landraub für Wasserkraftwerke im Umzug protestierten, in der Staubwolke zurück, während man selbst schon auf der siebten Wolke schwebt.





Das Wochenende zwischen den Feiertagen machte ich mich mit Vicki zum höchsten Punkt Panamas auf. Nach einem Tag in Bouquette, in der Provinz Chiriqui, mit dem Besuch von heißen Quellen und sehr wenig Schlaf begannen wir um 23:30 Uhr mit dem achtstündigen Aufstieg auf Vulcan Barú: 2 Stunden länger als prophezeit, dafür mit mehr Blicken in den wunderschönen Sternenhimmel und mit verpasstem Sonnenaufgang auf dem Gipfel. Trotzdem war der Ausblick überwältigend. Im wahrsten Sinne waren wir über den wenigen Wolken auf 3.600 Metern und gleichzeitig auf dem einzigen Fleckchen Erde von dem man sowohl Pazifik als auch die Karibik, dementsprechend zwei Weltmeere zur gleichen Zeit sehen kann. Das Glück war mit uns, sodass das Wetter dies auch zuließ. Nach einem Kakao mit dem diensthabenden Polizisten auf der Gipfelstation, machten wir uns auf zum Abstieg, der uns bis an die körperlichen Grenzen brachte.

Am Gipfel angekommen, im Hintergrund Bocas del Toro und die Pazifikküste, rechts die Gipfelstation

Zurück in der Soledad in Santiago, kam die traurige Nachricht, dass Luca aus familiären Gründen vorübergehend zurück nach Deutschland muss. Nach den letzten Desfiles und einem Abschiedsabend im Rancho begleiteten wir sie also nach Panama Stadt, wo wir uns am Flughafen "bis bald" sagten.
Um uns ein bisschen abzulenken ging es für uns drei weiter nach Portobelo, einer Bucht der Karibikküste, von Kolumbus entdeckt und während der Kolonialzeit ein bedeutender Hafen mit Wehranlagen, deren Ruinen man noch immer betreten kann.


Beim "Kraxeln" auf den Ruinen - in Panama kein Problem, die Anlagen stehen wegen dem starken Verfall allerdings auch schon auf der Roten Liste von UNESCO

Dem folgten weitere drei Wochen in Pueblo Nuevo. Zurück auf dem Boden, in dem Dorf ohne fließendes Wasser und Strom. Die Trockenzeit kommt und wir arbeiteten viel um vor der Sommerpause über Dezember einiges abzuschließen, verklebten und sägten Rohre, installierten Hähne und "llaves de paso".

Hier ein "llave de paso"

Unsere kleine Mitbewohnerin in der Küchenhütte
Nachmittags kamen wie gewohnt die Dorfkinder um uns panamesische Märchen von Vampiren zu erzählen, Mensch-Ärgere-Dich-Nicht zu spielen oder zu malen. In der dritten Woche besuchten wir am Donnerstag die Schule, brachten für jedes Kind eine Weltkarte mit und gaben in allen Klassen eine Mini-Stunde über Kontinente, Weltmeere und die Verbreitung der spanischen und englischen Sprache.
Wir gaben Flugstunden, in der Hoffnung, die Kinder der nächsten Generation könnten irgendwann mit den Panamenus zum Kunstflug abheben.



Wir wünschen euch noch eine wunderschöne Adventszeit, fröhliche Feiertage und natürlich einen Guten Rutsch ins neue Jahr!

Andrea mit Lolo & Vicki

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